|
Aktenvermerk vom 7. Dezember 1942 über die Besichtigung des Konzentrationslagers Oranienburg - Sachsenhausen durch den Architekten Wilhelm Fricke zur Errichtung eines Außenlagers in der Nähe des Rüstungskomplexes Reichsbahnausbesserungswerk Falkensee, in dem ein Panzerwerk unter Aufsicht des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition durch die Demag AG aufgebaut wurde
[Quelle: Mannesmann-Archiv, Mülheim/Ruhr, Mannesmann Röhren AG, D 1.525./3 Demag AA].
(Eingesandt von Klaus Woinar)
Das Architekturbüro Wilhelm Fricke, Hannover, war mit dem Bau eines firmeneigenen KZ des Rüstungskomplexes Falkensee (zunächst der Firma Demag, ab Oktober 1944 Alkett) beauftragt worden.
Es ist die erste praktische Umsetzung des Einsatzes von KZ-Häftlingen in der Rüstungsindustrie innerhalb Deutschlands nach den Vorstellungen des Reichsministers für Rüstung und Kriegsproduktion Albert Speer.
In einem Gutachten zum Rüstungsvorhaben Falkensee vom 30.09.1946 bezieht sich Dr. Stade mit folgenden Worten auf diesen Aktenvermerk:
"..., nachdem nach einer Besichtigung des zuständigen KZ-Lagers Sachsenhausen nicht erwartet zu werden brauchte, daß der Einsatz der Häftlinge, deren ordentliche Unterbringung und anständige Behandlung die Demag beabsichtigte und auch gewährte, ..."
Dieser Aktenvermerk wird ebenfalls auszugsweise in zitiert bei Hartmut H. Knittel "Panzerfertigung im Zweiten Weltkrieg" Verlag E.S. Mittler& Sohn, Herford und Bonn , 1988, dort aber in einen falschen Zusammenhang gestellt.
7.Dez.1942 /891
|
Aktenvermerk
-
|
|
über die Besichtigung des Kz-Lagers Sachsenhausen in Oranienburg am Mittwoch, d. 2.Dezember 1942.
Nach vorheriger telefonischer Übereinkunft mit Herrn Obersturmführer Sommer besuchte ich das Kz-Lager Sachsenhausen. Es wurden mir Herr Untersturmführer Tunicke und Lagerkommandant Obersturmführer Kolp1 zur Besichtigung mitgegeben. Im wesentlichen wurden folgende Anlagen besichtigt:
- Zaun und Wacheinrichtungen
- Mannschaftsbaracken
- Gemeinschaftsanlagen
Zu 1.)
Die gesamte Umzäunung besteht aus einem elektrisch geladenen (Spannung 220/380 V) Stacheldrahtzaun mit vorgelagerten spanischen Reitern. Die genaue Ausführung und Abstände für die neutrale Zone usw. sind aus den mir von dem Vorstand des Bauamtes III der Waffen-SS Oranienburg, Herrn Untersturmführer Köllinger2, mitgegebenen Zeichnungen ersichtlich. Die spanischen Reiter sind als Null-Leiter verwendet, so dass durch Überlegen eine Drahtes vom Zaun zu den spanischen Reitern ein Kurzschluss verursacht werden könnte. Damit hierdurch nicht sofort alle Sicherungen ausfallen und damit der Zaun stromlos gemacht würde, ist eine besondere Automatik in dem Hauptwachturm vorhanden, die sofort anzeigt, wenn derartige Versuche von den Häftlingen unternommen werden, so dass damit die gesamte Wachmannschaft in Alarmzustand versetzt werden kann.
Das dortige Lager hat eine etwa dreieckige Form. Der Hauptwachturm befindet sich in der Mitte einer Dreieckseite, weitere Wachtürme an jeder Ecke des Dreiecks, so dass sämtliche Umfassungszäune des Lagers durch die auf den Wachtürmen befindlichen Posten übersehen und kontrolliert werden können. Es besteht generelle Anweisung, dass auf Jeden, der sich innerhalb der besonders kenntlich gemachten neutralen Zone befindet, sofort ohne Anruf geschossen wird. Bei der Planung Falkensee ist deshalb besonders Wert auf gradlinige Zaunführung und grösste Übersichtlichkeit des Lagers zu legen, weil die SS auch Mangel an Wachmannschaften hat.
Zu 2.)
Die Mannschaftsbaracken sowie überhaupt alle dort befindlichen Baracken sind als normale Holzbaracken errichtet. In einer Mannschaftsbaracke, die aus 2 Schlafräumen, 2 Tagesräumen, einer Toilette, einem Waschraum, einer kleinen Besenkammer und einem kurzen Flur besteht, können bis zu 200 Leute untergebracht werden. Am Tage der Besichtigung fasste diese Baracke 178 Mann. Besondere Vorschriften für die Einhaltung von einem bestimmten Luftraum bezw. Einer bestimmten Fläche pro Häftling werden im allgemeinen nicht eingehalten. Der Tagesraum dient zur Aufstellung der Schränke und der Sitzmöglichkeiten. Je 2 Häftlinge erhalten einen normalen etwa 35 cm breiten Schrank, in dem die 2.Garnitur an Kleidung, der Essnapf und sonstige Kleinigkeiten untergebracht werden. Der Schlafraum dient nur zur Aufstellung der Betten. Es waren hier lange Reihen von Doppelbetten ( etwa 6-7 hinter einander) mit einem schmalen Gang von etwa 50 cm Breite aufgestellt. Der Waschraum zeigte 2 Waschbrunnen, an denen sich zur gleicher Zeit 12 Mann waschen können, so dass für je 15 - 17 Mann ein Waschplatz vorhanden ist. Desgleichen ist für etwa 25 - 27 Mann eine Toilette vorhanden. Die indem Waschraum ausserdem angeordneten Fussbadewannen haben sich nicht als unbedingt notwendig herausgestellt, da die Häftlinge diese Einrichtung doch kaum oder gar nicht benutzen. In jeder Mannschaftsbaracke ist ein Stubenältester vorhanden, der sich ebenfalls aus den Häftlingen rekrutiert und wegen besonders guter Führung zu diesem Posten ernannt wird. Dieser hat für Ordnung und Sauberkeit innerhalb der Baracke zu sorgen und ist auch verantwortlich, dass die Häftlinge täglich vollzählig wieder in der Baracke erscheinen. Er hat die täglichen Meldungen bei den Rapportführern vorzunehmen. Die Beleuchtungsanlage ist so eingerichtet, dass sie von einer zentralen Stelle, in diesem Falle vom Flur, aus - und eingeschaltet werden kann.
Die Betätigung dieser Schaltung ist dem Stubenältesten übertragen.
Zu 3.)
An Gemeinschaftsanlagen sind vorhanden: Küche, Baderaum, Wäscherei, Handwerkerstuben und Kammer. Die Baracke für die Küche umfasst nur die reinen Wirtschaftsräume. Ein Gemeinschaftsraum zum Einnehmen des Essens ist nicht vorhanden. Das Essen wird in Thermophoren zu den einzelnen Mannschaftsbaracken gebracht und dort ausgeteilt. Die Kaltverpflegung wird schon während der Arbeitszeit von den Stubenältesten in Empfang genommen und auf die einzelnen Stubengemeinschaften ausgeteilt. Es bestehen allerdings keine Bedenken, im Gegenteil es wurde sogar begrüsst, wenn ein Speiseraum vorhanden ist, der direkte Verbindung zur Küche hat, damit Essentransporte dadurch erspart werden können. Die Wäscherei hat eine Kapazität von 3 - 4000 kg. Trockenwäsche pro Tag. Sie kann zum Vergleich nicht herangezogen werden, da sie gleichzeitig den Wäschebedarf des Standortes der SS und der in der Gegend stationierten Flak übernimmt. Es wird hier sowohl die Lagerwäsche als auch die Körperwäsche der Häftlinge und des Standortes gewaschen.
In den Handwerkerstuben sind Schuster, Schneider und Friseur untergebracht. Auch hier werden von der Schuster- und Schneiderstube sämtliche Ausbesserungsarbeiten sowohl für die Häftlinge als auch als auch für den Standort durchgeführt. Das Krankenrevier hat eine Grösse, dass etwa 10% der Belegung untergebracht werden können. Die durchschnittliche Anzahl der Kranken beträgt 8%.
Für das gesamte Lager ist eine zentrale Badeeinrichtung in Form von Duschen vorhanden mit einem davor geschalteten Auskleideraum.
Darüberhinaus sind noch Arrestzellen vorhanden.
Zur täglichen Kontrolle über die Ist-Stärke des Lagers ist ein Appellplatz vorhanden, der so gross bemessen sein muss, dass sämtliche Insassen des Lagers darauf Aufstellung nehmen können. Das dortige Lager ist mit sehr vielen Nationen belegt. Diese werden unterkunftsmässig nicht von einander getrennt. Es erfolgt lediglich eine Trennung nach den begangenen Straftaten. Es wird unterschieden zwischen politischen Delikten, asozialen Elementen und Berufsverbrechern. Diese drei Gruppen sind schon äusserlich durch besondere Zeichen auf der Lagerkleidung kenntlich gemacht.
Im Anschluss an die Besichtigung des Lagers legte ich die für die Anlage Falkensee in Vorschlag gebrachten Typen vor. Sowohl Obersturmführer Sommer (Arbeitseinsatz) wie der Lagerkommandant Obersturmführer Kolp, als auch der Leiter des Bauamtes, Untersturmführer Köllinger, hatten gegen die Verwendung dieser Typen keinerlei Bedenken. Es wurde allerdings Wert darauf gelegt, dass ein getrennter Schlaf- und Tagesraum vorgesehen werden soll. Die Bewachung des Lagers in Falkensee wird etwa die Stärke einer Kompagnie haben. Die Unterkünfte sollen nach den militärischen Forderungen eingerichtet sein. Eine besondere Stelle für die Abnahme des neu zu errichtenden Kz- Lagers in Falkensee ist nicht vorhanden. Es ist in das Ermessen des jeweiligen Führers der Wachmannschaft gestellt, die vorhandenen Einrichtungen auf Zweckmässigkeit und genügende Sicherheit zu beurteilen und das Lager zum Gebrauch freizugeben.
|
Architekt Wilhelm Fricke
i.A.: Unterschrift
(unleserlich)
|
Hannover, den 4. Dezember 1942
Bie./Fe.
Verteiler:
Herrn Dir. Rickhey3, Firma Demag
Herrn Reg.Baurat Hinrichsen, Reichsm. f .Bewaffn. u. Mun. Berlin
Büro Hannover
|
|
1Kolb, August Heinrich ,2. Schutzhaftlagerführer KZ Sachsenhausen von (22.06.1942 -Sommer 1943).
2Heinrich Köhlinger, 1942 Leiter der Bauleitung im KZ Oranienburg-Sachsenhausen.
3Rickhey, Georg,, 1942-1943 Direktor "Demag Fahrzeugwerke Falkensee GmbH".
zurück zur Übersicht
Druckversion
(im folgenden Fenster [Datei>Drucken])
| |